Reduzierung von Meeresmüll: Was sind die konkreten Herausforderungen im Libanon?
Mehr als die Hälfte der libanesischen Bevölkerung lebt in Städten entlang der Mittelmeerküste. Meeresvermüllung stellt hier eine besondere Herausforderung für die Kommunen dar, denn verlässliche kommunale Abfallmanagementsysteme sind kaum vorhanden: Im Durchschnitt werden im Libanon etwa 8 Prozent der festen Siedlungsabfälle recycelt und 15 Prozent kompostiert – 51 Prozent hingegen auf Deponien und 26 Prozent auf informellen Müllkippen entsorgt. Auch befinden sich die beiden größten Deponien des Landes an der Küste und repräsentieren ein zusätzliches Risiko, dass Kunststoffabfälle in den Ozean gelangen. Darüber hinaus existieren im Land rund 941 informelle unkontrollierte Müllkippen, die eine Gefahr nicht nur für die Land- und Meeresumwelt, sondern auch für die öffentliche Gesundheit darstellen. Auch die politische Situation des Landes beeinflusst das Abfallwesen: Aktuell leben zusätzlich zu den 5,6 Millionen Staatsbürger*innen etwa 1,7 Millionen geflüchtete Menschen im Libanon, überwiegend aus dem Nachbarland Syrien. Damit verfügt circa ein Viertel der Gesamtbevölkerung des Libanon über einen Fluchthintergrund. Die fehlende kommunale Abfallwirtschaft trägt zu Spannungen zwischen geflüchteten Menschen und Aufnahmegemeinschaften sowie zwischen politischen Parteien bei. Eine nationale sozioökonomische Krise, zu der die COVID-19-Pandemie zusätzlich beitrug, hat diese Situation noch verschärft. Auch haben die Explosionen im Hafen von Beirut im Jahr 2020 zwei große kommunale Abfallverwertungsanlagen schwer beschädigt und damit die nationalen Recyclingkapazitäten weiter beeinträchtigt.
Eine Herausforderung auf politischer Ebene war über Jahrzehnte, dass keine nationale Strategie für Abfallwirtschaft bestand: Teils haben sich überlappende Mandate und unklare Rollen der beteiligten öffentlichen Akteur*innen diesen Entwicklungsprozess erschwert. Im Jahr 2018 wurde jedoch dem libanesischen Umweltministerium die Verantwortung für die Abfallwirtschaft übertragen und schließlich ein Fahrplan für die Abfallwirtschaft des Landes entwickelt. Dieser neue Fahrplan hebt die Rolle der Kommunen, die Dezentralisierung und das Subsidiaritätsprinzip hervor und strebt die Schließung informeller Müllkippen, die Modernisierung und den Bau neuer Abfallentsorgungsanlagen sowie die Abfalltrennung an der Quelle an.
Welchen Beitrag leistet das Projekt zur Reduzierung von Meeresmüll?
ReMaL zielt darauf ab, die Meeresverschmutzung im östlichen Mittelmeer zu verringern und gleichzeitig zur politischen Stabilität im Libanon beizutragen. Dafür werden sowohl die Gemeindeverbände der Küstenregionen als auch die Regierung dabei unterstützt, Grundlagen für eine nachhaltige Abfallwirtschaft des Landes zu schaffen. Insbesondere sollen die Menge ungesammelter Siedlungsabfälle reduziert und die Wiederverwertung von Ressourcen gefördert werden. Einhergehend strebt ReMaL die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Förderung zirkulärer Wirtschafts- und Geschäftsmodelle sowie einen Bewusstseins- und Verhaltenswandel in der Bevölkerung an.
Verlässliche Abfallinformationssysteme im Libanon fehlen bislang. Gleichzeitig sind diese zentral, um ein Verständnis der zu bewältigenden Abfallmengen, der Eintragspunkte von Meeresmüll, der wichtigsten Lücken und Bedürfnisse, der nächsten Schritte und Aktivitäten zu gewinnen. Daher führt ReMaL eine abfallwirtschaftliche Erhebung gemeinsam mit den Kommunen durch und bezieht dabei sowohl formelle als auch informelle Akteur*innen ein. Darauf aufbauend wird ReMaL ein nationales „Online Waste Observatory“ als Grundlage für eine kontinuierliche Abfallüberwachung einrichten.
Auf Basis dieser Erhebung werden in verschiedenen Küstengemeinden Pilotprojekte entwickelt und durchgeführt, die sowohl technische als auch institutionelle Verbesserungen, einschließlich der jeweiligen finanziellen Bedarfe, in den Blick nehmen. Darüber hinaus plant ReMaL eine Reihe von Sensibilisierungsmaßnahmen, die Erwachsene und Kinder über den Zusammenhang zwischen Abfallbewirtschaftung und der Vermeidung von Meeresmüll aufklären und so Verhaltensänderungen fördern. Dazu gehören Veranstaltungen, Wettbewerbe für eine saubere Nachbarschaft, Sensibilisierungsmaßnahmen an Schulen und die Projektkommunikation mit Bürger*innen und anderen Interessengruppen. Um eine langfristige Nachhaltigkeit zu gewährleisten, werden außerdem in Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium nationale politische Empfehlungen formuliert.