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27.03.2024

Jedes Insekt zählt: Artenvielfalt mit künstlicher Intelligenz erhalten

Das KI-Leuchtturmprojekt KInsecta möchte mit einem Open-Source-Ansatz und Citizen Science, ein Netzwerk aufbauen, um die Insektenvielfalt digital und automatisiert zu erfassen. Wie das gelingen kann, erklären Ilona Schrimpf und Prof. Dr. Haußer.

Was war das Ziel Ihrer Arbeit und was hat Sie motiviert?

In Deutschland erleben wir einen dramatischen Verlust von Insekten. Nicht nur die Gesamtmenge nimmt ab, auch die Zahl der Insektenarten schwindet. Dieser dramatische Rückgang ist ein Anzeichen für den allgemeinen Rückgang der Biodiversität. Nachgewiesen wurde dies unter anderem 2017 durch eine Monitoringstudie mit Fallen, in denen die Insekten getötet und dann von Hand bestimmt wurden. Wir haben uns daraufhin gefragt: Wie kann zukünftig ein weitestgehend automatisiertes Monitoring erfolgen, bei dem die Insekten nicht getötet werden und wie können wir die Zivilbevölkerung für Insekten begeistern und für den Insektenschutz gewinnen? Als Antwort entwickelten wir ein Multisensorsystem für ein KI-basiertes automatisiertes Insektenmonitoring, bestehend aus einer Kamera und weiteren Sensoren. Das Gesamtsystem sollte möglichst kostengünstig und einfach selbst zu bauen, zu betreiben und weiterzuentwickeln sein.

Was waren Herausforderungen und Hürden und wie sind Sie damit umgegangen?

Die Insektenvielfalt ist überwältigend, allein in Deutschland gibt es über 33.000 Arten. Ihr Verhalten ist sehr unterschiedlich und viele Arten sind nur schwer voneinander zu unterscheiden. Es ist fast unmöglich, alle diese Insektenarten möglichst schnell und ungestört durch ein komplexes Multisensorsystem zu leiten. Wir haben uns bei KInsecta daher auf eine bestimmte Auswahl von Insekten beschränkt. Sie können aus der Falle heraus in eine 4 x 6 cm große „Arena“ krabbeln, in der sie mit Blitzlicht fotografiert werden. Anschließend fliegen sie durch den Flügelschlagsensor und verlassen das System wieder. Beim Insektenmonitoring mit KI kommen also keine Insekten zu Schaden. Um dabei möglichst viele Insektenarten mit Methoden des maschinellen Lernens unterscheiden zu können, wurde das optische System für die Kamera und das optoelektronische System zur Aufnahme des Flügelschlagsensors von uns optimiert.

Welchen Impact hat Ihr Projekt mit Blick auf den Klima- bzw. Umweltschutz?

Durch Öffentlichkeitsarbeit und das Einbinden von Bürgerforscher*innen konnten wir vornehmlich technisch interessierte Personen für die Problematik des Insektensterbens und den notwendigen Insektenschutz sensibilisieren. Umgekehrt haben Vertreter*innen aus den Bereichen Biologie und Artenschutz erfahren, dass die Anwendung von Sensortechnik und KI im Naturschutz sinnvoll und ressourcenschonend sein kann. Längerfristig gehen wir davon aus, dass ein kostengünstiges automatisiertes Insektenmonitoringsystem zu einer genaueren Analyse und Bewertung von Umweltschutzmaßnahmen führen wird und auch in der Biodiversitätsforschung sinnvoll eingesetzt werden kann.

Was waren die konkreten Ergebnisse Ihres Projektes?

Wir haben ein Multisensorsystem basierend auf einem Minicomputer (Raspi) mit Kamera, optischem Mikrofon, einem sogenannten Flügelschlagsensor, und Umweltsensoren entwickelt. Die Hardwarekonfiguration inklusive aller Baupläne sowie die Steuerungssoftware stehen öffentlich zur Verfügung, damit Interessierte das System nachbauen können. Außerdem implementierten wir eine webbasierte Datenbank für den Upload, die Filterung, Verwaltung und Annotation von Sensormessdaten. Ein KI-Modell zur Klassifizierung – auf Basis der Datenlage von zunächst 20 Insektenarten – steht ebenfalls zur freien Verfügung. Dieses Multisensorsystem haben wir in Workshops zusammen mit Interessierten aus der Forschung, der (Schul-)Bildung, und der Zivilgesellschaft nachgebaut. Eine Gruppe von Bürgerwissenschaftler*innen trifft sich außerdem regelmäßig und tauscht sich über Bau, Betrieb und Weiterentwicklung des Systems aus.

Wie geht es nun mit Ihrem Projekt weiter?

Im Umweltbildungszentrum Listhof wird das Multisensorsystem auf Veranstaltungen und im sogenannten Krabbeltierhaus vorgestellt. Die Datensammlung und weitere Evaluierung des Einsatzes im Feld soll im Sommer 2024 erfolgen. In den nächsten Jahren werden wir mit dem Ausbau eines Hauses für Insekten einen Ort schaffen, an dem KInsecta einen Platz hat. Und wer das Monitoringsystem selbst betreiben möchte, kann sich direkt bei uns melden. Darüber hinaus streben wir an, das Projekt zu verstetigen. Einerseits sind Bildungseinrichtungen sehr an dem Multisensorsystem interessiert. Andererseits bekommen wir konkrete Anfragen von Forschungsgruppen im Bereich der Biodiversitätsforschung. Die Weiterentwicklung des Multisensorsystems zur Produktreife und eine sorgfältige quantitative Evaluierung sind die nächsten notwendigen Schritte.

Kontakt

KI-Leuchttürme +49 30 72618 0618 E-Mail schreiben

Sprechzeiten

Mo - Fr: 10 - 12 Uhr und 14 - 16 Uhr

Projekt KInsecta

Bienen an einer Blüte, links daneben ein Messgerät

KI-Leuchttürme

Illustration mit Leuchttürmen, Windrad und Menschen

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