Für den Schutz der Umwelt werden Materialkreisläufe immer wichtiger. Mithilfe von KI kann die Kreislaufwirtschaft gefördert werden. Verschiedene Projekte zeigen, wie das funktioniert.
Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiger Baustein für den Klima- und Ressourcenschutz. Die Idee ist, dass Ressourcen und Produkte nicht mehr nur „linear“ produziert und nach der Verwendung entsorgt werden, sondern dass ein „geschlossener Stoffkreislauf“ entsteht. Dazu müssen Produkte nach dem Ende ihrer Lebensdauer recycelt oder wiederverwendet werden. In der Idealvorstellung entsteht kein Abfall, sondern alle Inhaltsstoffe und Komponenten eines Gegenstandes werden so zerlegt und wiederaufbereitet, dass sie als Ressourcen für die Herstellung neuer Produkte verwendet werden können.
Bereits Ende der 1990er Jahre haben der Verfahrenstechniker und Chemiker Michael Braungart und der Architekt William McDonough die theoretischen Grundlagen für eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft geschaffen. Das „cradle to cradle“-Prinzip (engl. „von der Wiege zur Wiege“, sinngemäß übersetzt „vom Ursprung wieder zurück zum Ursprung“) bedeutet, dass die eingesetzten Rohstoffe nach Gebrauch biologisch als „Nährstoffe“ wieder in den natürlichen Stoffkreislauf zurückzugeführt oder als Material ohne Verluste weiter in Produkten verarbeitet werden. Genauso wichtig ist der sparsame Umgang mit Materialien. Das Ziel muss sein ressourceneffizienter zu wirtschaften.
Materialkreisläufe werden für den Schutz der Umwelt immer bedeutender
In der Realität sind wir davon leider weit entfernt. Laut Statistischem Amt der Europäischen Union (Eurostat) sind nur 13 Prozent der Ausgangsstoffe in der industriellen Produktion aus Materialkreisläufen beziehungsweise recycelt, was im Umkehrschluss bedeutet, dass 87 Prozent der Rohstoffe und Ressourcen Primärmaterialien sind. Es ist also noch ein weiter Weg hin zu einer zirkulären Wirtschaft. Gerade in Zeiten von gestörten Lieferketten durch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und den Folgen des Ukrainekriegs wird es immer wichtiger Materialkreisläufe zu schließen, um unabhängiger von internationalen Krisen und teilweise komplexen und hochsensiblen Lieferketten zu werden und um die Umwelt zu schonen.
Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie soll Anfang 2024 verabschiedet werden
Die Bundesregierung erarbeitet derzeit eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS). Diese Strategie soll Ziele und Maßnahmen zum zirkulären Wirtschaften und zur Ressourcenschonung bündeln. Damit will die NKWS einen entscheidenden Beitrag zur Reduzierung der Umweltbelastung, zum Schutz der Biodiversität und zum Klimaschutz leisten. Momentan führt das Bundesumweltministerium einen breit angelegten Dialogprozess mit unterschiedlichen Akteuren durch. Anfang 2024 soll die NKWS zwischen den Ministerien abgestimmt und danach vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Welche Beiträge können digitale Produktdaten und Methoden aus dem Bereich Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen leisten, um eine zirkuläre Wirtschaft zu etablieren? Sind sie ein eher zweitrangiger Baustein unter vielen oder eine Schlüsseltechnologie, die eine wirkliche Kreislaufwirtschaft erst ermöglicht, die sonst an der Komplexität der wirtschaftlichen Stoffströme scheitert? Um diese Fragen soll es im Folgenden gehen.
Abfälle können mit KI effizient der Kreislaufwirtschaft zugeführt werden
Ein Schlüssel zum Gelingen der Kreislaufwirtschaft ist, dass Reststoffe unvermischt vorliegen, damit sie wieder genutzt werden können. Das Start-up Bin-e stellt dafür einen intelligenten Abfallcontainer vor, der mit Künstlicher Intelligenz gemischten Müll in Glas, Plastik, Papier und Metall sortiert und diese Komponenten anschließend presst. Die Deutsche Bahn testet das System bereits am Hauptbahnhof von Münster.
Eine noch bessere Ökobilanz als das Recycling von Reststoffen hat das Aufarbeiten und wiederholte Nutzen, das so genannte Remanufacturing, der Produkte: Das Projekt EIBA der Fraunhofer IPK erprobt das am Beispiel von Auto-Altteilen: Hier entwickeln Forscherinnen und Forscher ein KI-unterstütztes System, das einen menschlichen Mitarbeitenden dabei unterstützt, Altteile zu identifizieren und deren Zustand zu bewerten. Konventionelle Handarbeit ist hier sehr schwierig, weil die Vielfalt der Altteile und deren Verschmutzung oder Verformung den Vorgang erschweren und dazu führen, dass viele potenziell noch nutzbare Teile im Schrott landen. Mensch und KI-System Hand in Hand sollen helfen, mehr Altteile vor der Tonne zu retten und den Prozess rentabel zu gestalten.
Es gibt nicht nur KI zur Abfalltrennung in der Industrie: Eine Hilfestellung für Privathaushalte ist die Junker App. Sie erlaubt es Strichcodes von Produkten zu scannen, gibt daraufhin Auskunft über die in dem jeweiligen Produkt verwendeten Materialien und erklärt die richtige Entsorgungsart beziehungsweise Mülltonne. Besonders komfortabel ist die Nutzung, da die App sowohl den Standort der Nutzenden erfasst als auch auf Daten der Abfuhrkalender lokaler Entsorger zugreift und daher passgenau Auskunft geben kann, an welchem Tag etwas entsorgt werden muss.
Kreislaufwirtschaft im Textilbereich: Projekt CRTX mit KI-basierter Bilderkennungs-Software
In der Textilwirtschaft gäbe es große Potenziale für zirkuläres Wirtschaften. Allerdings sieht die Realität leider anders aus: In Deutschland wird jedes fünfte Kleidungsstück so gut wie nie getragen und etwa eine Milliarde Kleidungsstücke haben nach spätestens drei Monaten ausgedient. Statt diese Kleidung weiter zu verwenden - ob als Secondhand-Ware oder als Sekundärrohstoff für Recyclingfasern - wird sie oft schlicht weggeworfen. Dies führt zu enormem Ressourcenverbrauch, zudem belastet der weitverbreitete Einsatz von Chemikalien das Ökosystem und das Grundwasser.
Das Projekt „Circular Textile Intelligence“ (CRTX) möchte dazu beitragen, eine Kreislaufwirtschaft im Textilbereich zu ermöglichen. Dazu wird eine KI entwickelt, die sowohl für eine weitere Nutzung eines Kleidungsstückes (auf dem Secondhand-Markt) wie auch für ein hochwertiges Recycling der Textilfasern Handlungsempfehlungen gibt. Es kommt dabei eine KI-basierte Bilderkennungs-Software zum Einsatz, um die vielversprechendsten Wiederverwertungsoptionen vorzuschlagen. Mithilfe der sogenannten Raman-Spektroskopie können Fasermaterial, Farbstoffe, Schadstoffe oder bestimmte zur Vorbehandlung von Textilien eingesetzte Chemikalien bestimmt werden. Zudem kommt auch eine digitale „circularity.ID“ zum Einsatz, um wichtige Material- und Produktdaten digital zu speichern, was für die Etablierung von Kreislaufwirtschaft von zentraler Bedeutung ist, gerade in Kombination mit Methoden aus dem Bereich KI und maschinelles Lernen.
Projekt ReCircE will Stoffkreisläufe ressourceneffizienter gestalten
Diese Verknüpfung von digitalen Produktdaten und KI-Methoden wird auch im Projekt „ReCircE“ genutzt (eine Kombination der Worte „Recycling“ und „Circular Economy“). Ziel von ReCircE ist, Stoffkreisläufe ressourceneffizienter zu gestalten. Erreicht werden soll dies, indem eine digitale Produktbeschreibung, die sogenannte Lebenszyklusakte, verknüpft wird mit Sortierungstechnologien, die durch Künstliche Intelligenz unterstützt werden. Konkret geht es ReCircE um das Recycling von Elektrokleingeräten und Elektroschrott. Eine mit Künstlicher Intelligenz ausgestattete Sortieranlage versucht, mit Daten aus verschiedenen Sensoren die ökologisch sinnvollsten Vorschläge für den Umgang mit einzelnen Teilen aus Elektronik-Abfall herauszufinden. Durch die Kombination von Daten aus der sogenannten Lebenszyklusakte (Life Cycle Record) und Methoden aus dem Bereich des Maschinellen Lernens kann die Sortierung deutlich verbessert werden. Es können also höhere Anteile kostbarer Materialien zurückgewonnen und zu hochwertigeren Produkten verarbeitet werden. Zudem ermöglichen die digitalen Produktdaten eine vereinfachte Nachhaltigkeitsbewertung von Produkten, beispielsweise in Bezug auf Betriebsstoffe, Stromverbräuche, Abfälle und Emissionen.
Digitaler Produktpass als zentrales Element des „Circular Economy Action Plan“ der EU
Durch digitale Produktdaten wird ein Kernproblem bearbeitet, das die Kreislaufwirtschaft momentan behindert: Das Fehlen eines effizienteren Informationsaustausches entlang der Wertschöpfungskette. Eine digitale Produktbeschreibung kann diesen Informationsaustausch gewährleisten – und die Europäische Union plant auch eine entsprechende Gesetzgebung: Mit dem sogenannten „Circular Economy Action Plan“ hat die EU bereits im Jahr 2020 ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, das europaweit die Kreislaufwirtschaft fördern soll. Ein zentrales Element dieses Pakets ist ein „digitaler Produktpass“, der schrittweise für alle Sektoren der Wirtschaft in der EU eingeführt werden wird. Die Details sind gerade in der Diskussion, in der Ausgestaltung muss sichergestellt sein, dass ein Produktpass flexibel genug ist, um einen breiten Einsatz zu ermöglichen. Bisher sind existierende Ansätze noch auf einige wenige Branchen beschränkt. Auch hier hat sich ReCircE eingebracht und branchenübergreifende Vorschläge erarbeitet, wie ein allgemeiner digitaler Produktpass konkret ausgestaltet sein muss, um für eine Kreislaufwirtschaft nützlich zu sein.
Die genannten Beispiele machen deutlich, dass digitale Produktdaten eine wichtige Voraussetzung sind, um geschlossene Materialkreisläufe in der Wirtschaft zu ermöglichen. Hier wird wichtige Grundlagenarbeit für den Aufbau einer digitalen Infrastruktur geleistet, die für die anstehende Transformation hin zu einer ökologischen Kreislaufwirtschaft von entscheidender Bedeutung ist.
Werkstattgespräche der KI-Ideenwerkstatt stellen innovative Projekte vor
Es haben schon mehrere Werkstattgespräche in der KI-Ideenwerkstatt stattgefunden, bei denen die Idee ist, „Ideen auf die Werkbank“ zu bringen. Praktisch orientierte Projekte stehen im Vordergrund, die KI und Umweltschutz zusammenbringen. Gemeinsam diskutieren wir, welches Potenzial und welche Herausforderungen bestehen und welche Technologie hinter den Projekten steht (so geschehen beispielsweise bei CRTX und ReCircE, die auch im Rahmen der KI-Leuchttürme vom Bundesumweltministerium gefördert werden). Zudem stellen wir als KI-Ideenwerkstatt Wissen und Ressourcen zur Verfügung, um zu ermöglichen, dass neue Ideen aus der Zivilgesellschaft niedrigschwellig ausprobiert werden können. So schaffen wir Handlungsspielräume, in denen nachhaltige Digitalisierung und KI für Mensch und Natur wirken können. Gerade für zirkuläres Wirtschaften stellen diese eine Schlüsseltechnologie dar, die eine ökologische Kreislaufwirtschaft erst ermöglichen.
Die Autoren:
Johannes Buchner ist Referent in der KI-Ideenwerkstatt für Umweltschutz. Als promovierter Mathematiker hat er sich auch intensiv mit kritischer Ökonomie beschäftigt. Er ist fasziniert von der Möglichkeit, KI für Kreislaufwirtschaft und ökologische Wirtschaftsplanung einzusetzen.
Thorsten Kluß, Referent, ist für Kooperationen und Skalierung zuständig. Der Wissenschaftler forschte zuvor an der Universität Bremen zu Cognitive Neuroinformatics und Mensch-Computer-Interaktionen.