Wie Künstliche Intelligenz schädliche Lachgase messen kann und Kläranlagen energieeffizient steuert, daran arbeitet Dr. Matthias Stier im KI-Leuchtturmprojekt KIkKa (Künstliche Intelligenz für klimaneutrale Kläranlagen).
Dr. Matthias Stier ist Geschäftsführer und Mitgründer der Variolytics GmbH. Im KI-Leuchtturmprojekt KIkKa arbeitet er daran, mit hochauflösenden Sensoren klimaschädliche Lachgase zu messen und mit KI Abwasserreinigungsprozesse klimaoptimiert zu steuern. Wie die Idee für dieses Projekt entstanden ist, was ihn persönlich motiviert und wo er das Projekt in fünf Jahren sieht, erklärt er uns im Interview.
Herr Dr. Stier, wann hatten Sie zum ersten Mal die Idee für Ihr Projekt?
Wir hatten bereits am Fraunhofer Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) an einer Messtechnik gearbeitet, die in der Lage war, direkt aus einer Flüssigkeit oder aus Gasen zu messen. Mit dieser Technik konnten wir quasi die Atmung von Mikroorganismen überwachen. Parallel dazu hatten wir Kontakt zu Dr. Jörg Gebhardt (ehemals aquatune), der sich mit der energetischen Optimierung von Kläranlagen mittels Künstlicher Intelligenz beschäftigt. Der Austausch war zunächst nur auf wissenschaftlicher Ebene, ein Business-Modell hatten wir dabei noch nicht im Sinn. Dann spitzte sich die öffentliche Diskussion um schädliche Lachgasemissionen zu und das Bewusstsein der Kommunen und der Kläranlagenbetreiber, hierfür eine Lösung zu finden, wuchs. Wir haben uns dann aus dem Fraunhofer IGB mit der Variolytics ausgegründet, Dr. Jörg Gebhardt wurde unser Business Angel und unsere Technologien zur Messung von Gasen und zur energetischen Optimierung von Kläranlagen haben wir miteinander verheiratet. Damit hatten wir die Basistechnologie für unser Vorhaben.
Was war Ihre persönliche Motivation beim Projekt KIkKa?
Das Thema Nachhaltigkeit hat mich immer schon begleitet. Ob als Wissenschaftler an der Universität Stuttgart oder am Fraunhofer IGB. Nach dem Studium hat es mich zu Bioökonomie und grüner Chemie gezogen. Es kommt aber auch noch ein ganz persönliches Interesse für das Thema Entrepreneurship hinzu: Der letzte Schritt von der Wissenschaft bis hin zur Marktreife eines Produktes, das war es, was mich gereizt hat. Deshalb habe ich meine Gruppenleitung an der Universität Stuttgart aufgeben und es gewagt, ein Unternehmen zu gründen.
Was macht ihr Projekt zu einem Leuchtturmprojekt?
Neben dem wirtschaftlichen Interesse an der Marktreife unseres Produktes, ist es uns wichtig, unser Wissen zu veröffentlichen und innerhalb der wissenschaftlichen Community zu teilen. Bislang gibt es keine Grenzwerte für Lachgasemissionen von Kläranlagen. Mit unserer Technik und den damit erzielten Ergebnissen könnte ein eigener Emissionsfaktor für jeden Typ von Kläranlage geschaffen werden. Solche verpflichtenden Lachgasmessungen gibt es etwa schon in Dänemark. Unser Projekt könnte daher relevant sein für künftige Gesetzesvorhaben und wir können nicht zuletzt zur Klimaneutralität von Kommunen beitragen.
Wo sehen Sie KIkKa in fünf Jahren?
Ich sehe uns dann am Peak unserer Arbeit. Es ist kurz bevor wir die Klimaziele 2030 erreichen müssen. Unsere Aufgabe ist es, bis dahin eine schnelle und skalierbare Lösung zu entwickeln, um in Deutschland die größten Kläranlagen zu optimieren. Momentan lässt sich das Wissen leider noch nicht von einer Anlage auf eine andere übertragen, aber daran arbeiten wir. Die Anwendbarkeit dann auf Klärwerke in ganz Europa auszuweiten, wäre der nächste Schritt.
Bitte ergänzen Sie:
„KI und Nachhaltigkeit sind …“
… miteinander verknüpft. KI hilft uns, Prozesse effizienter zu machen, wenn Menschen allein dazu nicht mehr in der Lage sind.
„Das Gute an KI ist: …“
… sie betrachtet die Sachen nüchtern und objektiv und bietet ein Spektrum von Auswahlmöglichkeiten.
„Das Schlechte an KI ist: …“
… sie kann auch missbraucht werden und große Gefahren erzeugen.
„Ein KI-Leuchtturmprojekt zu sein bedeutet …“
… eine tolle Gelegenheit zu haben, um Innovationen nach vorne zu bringen.
Vielen Dank!
KIkKa ist eines von 17 neuen Projekten der Förderinitiative KI-Leuchttürme für Umwelt, Klima, Natur und Ressourcen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) fördert das Projekt mit rund 860.000 Euro.