Das Projekt Cognitive Weeding setzte KI ein, um neben Nutzpflanzen möglichst viele Beikräuter zu erhalten. Zum Abschluss des KI-Leuchtturmprojektes sprachen wir mit Mark Niemeyer über die Ergebnisse und die Herausforderungen in der Projektumsetzung.
Herr Niemeyer, welche Ergebnisse konnten Sie erreichen?
Unser Ziel war, auf einer zu bewirtschaftenden Ackerfläche nur die Einzelpflanzen zu entfernen, die den Ertrag der Nutzpflanzen mindern. Das bedeutet, dass wir die Flächen mittels KI noch genauer bestimmen und gezielt bearbeiten müssen. Rückblickend ist uns das gelungen. Durch den im Projekt erarbeiteten Workflow bei der Bewirtschaftung einer Ackerfläche bleiben jetzt mehr Beikräuter erhalten. So können wir langfristig eine höhere Biodiversität auf diesen Ackerflächen bzw. Testfeldern erzielen.
Woher weiß die Landmaschine, welche Pflanzen sie mit der Hacke oder durch Chemikalien entfernen muss?
Wir haben einen Workflow von der Datenaufnahme und -aufbereitung über das Trainieren der KI zur Pflanzenbestimmung bis zum Bereitstellen der Technologien auf die Landmaschine erarbeitet. Die Datenerfassung geschah mit unterschiedlichen Sensorsystemen. Das waren zum einen Drohnen der Universität Osnabrück und das Kamerasystem von Farming Revolution.
Sobald mittels KI die Pflanzenart bestimmt wurde, wird durch ein Expertenwissen automatisch entschieden, welche Pflanzen reguliert werden müssen. Eine Karte mit den Positionen dieser Pflanzen (Applikationskarte) wird anschließend für die Regulierung der Spontanvegetation genutzt, sodass die Spritze oder Hacke genau weiß, wo die Kräuter stehen, welche erhalten bleiben und welche entfernt werden müssen. So haben wir es mithilfe der selektiven Spritze im konventionellen Anbau und der selektiven Hacke im ökologischen Anbau geschafft, einzelne Beikräuter stehenzulassen.
Welche Rolle spielt KI dabei?
Die KI wurde mit extrem vielen Daten so trainiert, dass die Erkennung von Einzelpflanzen in möglichst frühen Wachstumsstadien möglich ist. Mittels regelbasiertem Expertenwissen wird entschieden, welche Pflanzen entfernt werden. Dafür haben die Verbundpartner aus dem Agrarbereich Wenn-Dann-Regeln erstellt: Ist zum Beispiel eine bestimmte Menge Beikräuter vorhanden, die eine Konkurrenz zur Nutzpflanze bilden, dann müssen sie beseitigt werden. Es ist es gelungen, das Klassifikationsverfahren (Klassifikator) von Farming Revolution von "nur Kulturpflanzen erkennen“ hin zu einer genaueren Bestimmung von Beikraut-Arten anzupassen, bei denen auch angegeben wird, wie verlässlich die Klassifikation ist. Für den Umgang mit den Pflanzendetektionen und für die regelbasierten Entscheidungen konnten wir auf semantische Technologien aus dem Projekt AgriGaia aufbauen und diese im Projekt weiterentwickeln.
Gab es Herausforderungen während der Projektumsetzung?
Die Datenaufbereitung (Datenannotation) war schwierig und zeitaufwendig. Wir haben daher überwiegend auf bestehende Daten aus eigenen Aufnahmen vor Projektbeginn zurückgegriffen.
Herausfordernd war zudem die Klassifikation der Einzelpflanzen im Keimblattstadium, also, wenn sie noch ganz klein sind. Hier sind wir, falls die Bestimmung der genauen Pflanzenart nicht möglich war, auf die Unterteilung der Spontanvegetation in ein- und zweikeimblättrige Pflanzen ausgewichen. Auch wären deutlich mehr Trainingsdaten notwendig gewesen, um gefährdete Arten auf der Rote Liste besser zu erkennen und sie gezielt von der Regulierung auszunehmen.
Auch die Erstellung der Karte mit den zu bearbeitenden Flächen nahm viel Zeit in Anspruch. Besonders in Jahren mit instabiler Witterung verzögert sich damit der Termin, an dem gehackt bzw. gespritzt wird, zu weit nach hinten, um optimale Regulierungserfolge zu erreichen und die Konkurrenz zur Kulturpflanze von Anfang an gering zu halten. Insbesondere in der mechanischen Beikrautregulierung ist aber eine möglichst frühe Regulierung der Pflanzen wichtig.
Wie geht es mit den Ergebnissen oder mit dem Projekt weiter?
Farming Revolution will (Teil-)Ergebnisse im Projekt ermittelte Informationen in ihren Hackroboter übernehmen: Die Amazonen-Werke H. Dreyer SE & Co. KG wird die Erkenntnisse aus dem Projekt nutzen, um Anforderungen für Neuentwicklungen ihrer Produkte abzuleiten. Wissenschaftliche Ergebnisse wurden und werden von den im Projekt arbeitenden Promotionsstudierenden für ihre Dissertationen genutzt.
Einige Fragestellungen, die sich während des Projektes ergeben haben, hätten wir gerne weiterverfolgt. Wir nehmen wie gesagt stark an, dass durch die präzisere Pflanzenentnahme und damit Erhaltung von mehr Beikräutern eine höhere Biodiversität erzielt wird. Um das nachzuweisen, bräuchte es jedoch einen längeren Zeitraum für die Datenerfassung.
Zudem hätten wir gerne noch langjährig evaluierte und robuste Schwellwerte für die wichtigsten Ackerbaukulturen ermittelt. Das heißt herauszufinden, wann es sich ökonomisch rechnet zu spritzen und wann nicht. Daher möchten wir auf Grundlage der erarbeiteten Ergebnisse neue Projektanträge aufsetzen und das Thema weiterbearbeiten.
Vielen Dank für das Interview!