„Mit FutureForest wird datenbasierter Klimaschutz im Wald endlich greifbar.“
Copyright: ZUG gGmbH / iStock wayra
Wie kann KI die Transformation in eine digitale und nachhaltige Forstwirtschaft unterstützen? Antworten darauf gab Projektkoordinator Dr. Somakanthan Somalingam zum Abschluss des KI-Leuchtturms FutureForest.
Was hat Sie zu “FutureForest” motiviert?
Die Motivation für unser Projekt FutureForest entspringt aus zwei Herausforderungen, die Forstwirtschaft und andere Akteur*innen lösen müssen.
Die erste und dringlichste Problemstellung ist die Veränderung der Waldökosysteme durch den rapiden Klimawandel. Extreme Dürren, Kalamitäten durch Schädlinge und eine Zunahme von Großschadensereignissen wie Stürmen oder Waldbränden stellen die Resilienz der Wälder unter enormen Druck. Das empirische Wissen, das über Jahrhunderte in der Forstwirtschaft erlangt wurde, erweist sich zunehmend als unzureichend, um diese neuen, komplexen Herausforderungen effektiv zu adressieren. Unser Ziel war es daher, anstehende Entscheidungen datengetrieben zu unterstützen.
Zudem erschwert die mangelnde Zugänglichkeit und Kohärenz von bestehenden Daten Forstpraktizierenden und Forschenden erheblich, datenbasierte Maßnahmen zur klimaangepassten Waldbewirtschaftung zu identifizieren und umzusetzen.
Was waren Idee und Ziele dieses Projektes?
Die zentrale Idee war es, die Digitalisierung der deutschen Forstwirtschaft mithilfe von KI und Standardisierung voranzutreiben, um sie zukunftsfähig und klimaresilient zu machen. Daraus ergaben sich für uns folgende Fragestellungen:
Welche Verfahren ermöglichen es uns, mithilfe von Satellitenbild-Zeitreihen eine flächendeckende und präzise Kartierung von Baumarten und deren Zustand ermöglichen? Mit welchen Modellen können wir die Waldentwicklungen unter verschiedenen Klimaszenarien in Deutschland projizieren, um zukünftige (Standort-) Risiken zu bewerten? Welche datenbasierte Handlungsempfehlungen können wir für Forstwirt*innen und Entscheidungsträger*innen bereitstellen, um den klimaangepassten Waldumbau zu unterstützen? Wie erschaffen wir eine transparente und dezentrale Dateninfrastruktur, um einen Datenaustausch unter allen Teilnehmenden zu ermöglichen? Und wie können wir ein Sensornetz zur Echtzeitmessung relevanter Daten für die Kalibrierung der KI-Modelle zur Waldzustandserkennung im Wald aufbauen?
Und haben Sie diese Ziele erreicht?
Ja, wir konnten neuartige Verfahren zur bundesweiten Baumarten- und Zustandsbestimmung entwickeln, die auf Satellitenbild-Zeitreihen basieren. So konnte beispielsweise durch die Integration hochauflösender Luftbilder in ein Multi-Stream-Netzwerk die Klassifizierung von Fichten und Tannen in Mischbeständen um rund acht Prozent verbessert werden.
Parallel dazu haben wir ein Transformer-Modell zur Früherkennung von Waldstörungen wie beispielsweise Borkenkäferbefall entwickelt.
Ein weiteres zentrales Ergebnis sind die KI-basierten Simulationsmodelle, die unter anderem Indikatoren wie Holzzuwachs, Kohlenstoffspeicherung und Biodiversität abbilden. Und nicht zuletzt ist der forstliche Datenraum eine fundamentale Infrastrukturkomponente.
Was genau kann man sich darunter vorstellen?
Das ist eine offene und dezentrale Dateninfrastruktur, die den konsensbasierten Austausch von Daten ermöglicht, wobei Datenhoheit und Kontrolle stets bei den Eigentümern verbleiben. Aufbauend auf diese Ergebnisse wurde ein Prototyp des FutureForest Decision Support Systems (DSS) entwickelt. Das DSS ermöglicht es Nutzenden, standortspezifische, datenbasierte Handlungsempfehlungen für den klimaangepassten Waldumbau zu vergleichen und zu analysieren.
Und nicht zuletzt konnten wir durch einen gezielten Wissenstransfer und Vernetzung maßgeblich zur Verbreitung der Projektergebnisse beitragen. Durch den Aufbau eines Expert*innennetzwerks, zahlreiche Workshops und Webinare sowie die Ausrichtung der Fachkonferenz "SmartForest 2025" wurde der Austausch über die Herausforderungen und Lösungsansätze einer klimaresilienten Forstwirtschaft gefördert.
Gab es Herausforderungen und konnten Sie dafür Lösungen finden?
Eine der zentralen strukturellen Herausforderungen war und ist der mangelnde Zugang und die dadurch geringe Verfügbarkeit von Forstdaten. Diese sind in Deutschland stark fragmentiert und kaum miteinander vereinbar, was die Entwicklung und Anwendung digitaler Lösungen erheblich erschwert. Hinzu kamen technologische Grenzen bei der KI-gestützten Baumartenerkennung oder der Früherkennung von Borkenkäferbefall bspw. durch hohe Speicher- und Rechenanforderungen.
Einige dieser Herausforderungen konnten wir bewältigen, indem wir den geografischen Bereich, für den ausreichende Daten verfügbar waren, eingegrenzt und auf Infrastrukturen wie EO-Labs (Earth Observation Laboratory) zurückgegriffen haben.
Darüber hinaus konnten wir klare Handlungsempfehlungen für strukturelle Veränderungen identifizieren. Wir konnten wertvolle Beiträge zur Standardisierung leisten und setzten uns insbesondere für eine (europaweite) Gesetzgebung zur Dateninteroperabilität ein.
Welchen Impact haben die Projektergebnisse für den Klimaschutz?
Durch die Entwicklung präziserer Verfahren zur Baumarten- und Waldzustandserkennung, KI-basierter Simulationsmodelle und des Decision Support Systems (DSS) wurden konkrete Werkzeuge für einen klimaangepassten Waldumbau geschaffen. Der Forstliche Datenraum (FDS) und der Wissenstransfer tragen dazu bei, diese Innovationen in die Praxis zu bringen.
Können die Ergebnisse in anderen Bereichen eingesetzt werden?
Die Projektergebnisse sind vielfältig nachnutzbar. Die entwickelten Methoden und Modelle zur Fernerkundung und Simulation können in anderen Forstprojekten oder sogar in verwandten Bereichen eingesetzt werden. Außerdem setzen wir den Wissensaustausch fort – die SmartForest 2026 wird bereits vorbereitet!