„Mit KI machen wir Kläranlagen klimafreundlicher.“
Copyright: Dr. Matthias Stier
Die ZUG gGmbH sprach mit Dr. Matthias Stier von variolytics darüber, wie Künstliche Intelligenz und Datenanalytik helfen kann, Emissionen aus Kläranlagen messbar zu machen und deutlich zu senken.
Was war das Ziel des Projektes?
Ziel des Projekts „Künstliche Intelligenz für klimaneutrale Kläranlagen“ (KIkKa) war es, durch den Einsatz moderner Datenanalytik und Künstlicher Intelligenz klimarelevante Emissionen aus kommunalen Kläranlagen messbar zu machen und wirksam zu reduzieren. Im Fokus standen insbesondere die Reduktion von Lachgasemissionen, einem der potentesten Treibhausgase, sowie die Optimierung des Energieeinsatzes bei der Belüftung. Hierzu sollten vorhandene Prozessdaten mit neuen Messmethoden und KI-basierten Analysewerkzeugen kombiniert werden, um sowohl kurzfristige Handlungsempfehlungen als auch langfristige Optimierungspotenziale aufzuzeigen. Das Projekt verfolgte damit einen praxisnahen, übertragbaren Ansatz zur Dekarbonisierung der Wasserwirtschaft.
Welche Ergebnisse konnten Sie erreichen?
Wir konnten zeigen, dass sich mithilfe von KI-gestützter Prozessanalyse und -optimierung sowohl die Energieeffizienz als auch die Emissionsbilanz kommunaler Kläranlagen signifikant verbessern lassen. Konkret wurden zwei datenbasierte Optimierungsmodelle entwickelt: ein ASM-basiertes Simulationsmodell sowie ein KI-Modell, das reale Betriebsdaten auswertet. Diese Modelle wurden auf der Kläranlage Göppingen implementiert und getestet. Dabei konnten wir konkrete Maßnahmen ableiten, die zu einer Reduktion der Lachgasemissionen und zu einem effizienteren Belüftungsbetrieb führen. Die Umsetzung der optimierten Verfahrensweise mit dem bestehenden Regelsystem der Kläranlage wurde beauftragt.
Welche Herausforderungen gab es im Projekt und konnten Sie dafür Lösungen finden?
Eine wesentliche Herausforderung bestand in der Heterogenität der Prozessdaten und deren Qualität. Viele wichtige Einflussgrößen auf Emissionen, insbesondere Lachgas, werden auf Kläranlagen bislang nicht systematisch erfasst. Um diese Lücke zu schließen, haben wir ein Messsystem zur kontinuierlichen Emissionserfassung in der biologischen Stufe installiert und in das Projekt integriert. Zudem war die Modellvalidierung aufgrund der hohen Komplexität biologischer Prozesse anspruchsvoll. Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlichen Partnern und dem Betriebspersonal konnten jedoch verlässliche Datensätze generiert und erfolgreich für die Modellkalibrierung genutzt werden. Eine weitere Herausforderung war die verfahrenstechnische Limitierung. Optimierungsansätze lassen sich nur umsetzen, wenn die bestehenden Anlagenkomponenten diese auch zulassen. Ein Beispiel waren die Rezirkulationspumpen, die für eine dynamische Steuerung ausgetauscht werden mussten.
Welchen Impact hat das Projekt für den Klimaschutz?
Kläranlagen gehören zu den größten kommunalen Emittenten von Treibhausgasen, insbesondere von Lachgas (N₂O), das rund 300-mal klimaschädlicher ist als CO₂. Durch KIkKa konnten wir zeigen, dass eine gezielte datenbasierte Prozesssteuerung nicht nur Emissionen reduziert, sondern auch die Energieeffizienz erhöht. Die entwickelten Methoden sind skalierbar und können auch auf andere Kläranlagen übertragen werden, unabhängig von deren Größe oder technischer Ausrüstung. Ein weiteres Anwendungsfeld, in dem der Projektpartner Variolytics mit seinem methodischen Ansatz der Datenerfassung und Optimierung tätig ist, ist die Halbleiterindustrie. Dort werden ebenfalls große Mengen sehr treibhausaktiver Substanzen trotz Abluftwäscher freigesetzt. Variolytics installiert in der Abluftbehandlung neue Sensorik, mit deren Daten die Effizienz gesteigert werden soll.